Plagen der Menschheit

Obwohl das Jahr 2020 erst drei Monate alt ist, ist schon jetzt gewiss, dass es in den Geschichtsbüchern eine herausgehobene Stellung einnehmen wird. Welchen Ausgang die gegenwärtige Situation nimmt, ist jedoch noch nicht absehbar. Trotz dessen mehren sich die Stimmen, die behaupten, dass dieses Virus die Welt für immer verändern wird. Sicherlich ist dies schon geschehen, denn es hat den Menschen auf dem gesamten Globus für Augen geführt, wie verletzlich unser Wohlstand und unsere Gesundheit sind.

Für die allermeisten von uns ist diese gegenwärtige Lage eine neue Erfahrung. Neben den Maßnahmen zur Kontaktreduzierung quält viele Menschen die Ungewissheit. Niemand weißt wie lange die gegenwärtigen Einschränkungen unserer Freiheit noch anhalten werden. Mit der Dauer des sogenannten Shutdowns ist eng verbunden, wie gravierend die wirtschaftlichen Folgen und etwaige Versorgungsengpässe sein werden. Entscheidend für diese beiden Faktoren ist  die Frage, wie erfolgreich die Verbreitung des Virus eingedämmt und eine adäquate gesundheitliche Versorgung der Betroffenen gewährleistet werden kann, sodass am Ende der Pandemie möglichst wenige Menschen um ihre Angehörigen trauern müssen.

Begrenzte Macht

Was jedoch in diesen Tagen und Wochen deutlich wurde, ist die Tatsache, dass weder politische noch militärische Macht oder finanzieller Reichtum dem Virus etwas entgegenzusetzen haben. Sicherlich sind diese Faktoren hilfreich im Kampf um den Kampf um Beatmungsgeräte, Atemschutzmasken und andere Dinge erfolgreich zu gestalten. Aber das Virus lässt sich nicht durch Einflussnahme dazu bringen aufzuhören Menschen zu befallen und womöglich wirtschaftliche Systeme zum Kollabieren zu bringen. Die einzigen Personen, die wirklich durch ihr Handeln die Chance haben, die durch das Virus hervorgerufene Not nicht nur zu lindern, sondern zu zügeln oder zu besiegen sind Wissenschaftler. Dementsprechend werden diese gegenwärtig herumgereicht wie Schutzheilige.

Verdiente Anerkennung

Mit Sicherheit gibt es darunter auch Protagonisten, die die gegenwärtige Aufmerksamkeit genießen. Viel wichtiger als der wohl nur kurzzeitig währende Ruhm ist aber die Anerkennung, welche die Wissenschaftler gegenwärtig erfahren. Hoffentlich überlebt diese auch die gegenwärtige Ausnahmesituation. In dieser wird vornehmlich von den Virologen aber auch immens viel verlangt. Auf der einen Seiten sollen verlangt die Öffentlichkeit, dass sie im besten Fall heute noch ein Medikament oder gar einen Impfstoff gegen COVID-19 entwickeln. Andererseits werden sie aber auch tagtäglich mit Fragen gelöchert, auf die selbst die bestinformierten Wissenschaftler gegenwärtig keine Erkenntnisse haben und mitunter niemals haben werden.

Unklare Herkunft

Eine der vielen bislang ungenügend beantworteten Fragen ist die nach der Herkunft des Virus. Gesichert ist die Erkenntnis, dass es in der chinesischen Millionenstad Wuhan die ersten Fälle von einer zunächst unerklärlichen Häufung von Lungenkrankheiten gegeben hat. Mittlerweile weiß man auch, dass SARS-CoV-1 dafür verantwortlich ist. Danach hört es mit den absoluten Klarheiten aber auf. Beobachtungen zufolge handelt es sich bei den ersten Erkrankten vornehmlich um Mitarbeiter oder Besucher eines Wildtiermarktes in Wuhan. Als Ursprung gelten Hufeisennasen-Fledermäuse, welche das Virus an Larvenroller übertragen haben sollen, über die das Virus dann zu den Menschen gelangt sein könnte.

Versagen oder böser Wille?

Allerdings handelt es sich dabei stets um begründete Vermutungen, aber noch nicht um gesicherte Erkenntnisse. Und selbst wenn man hier zur absoluten Erkenntnis gelangt werden weiter Fragen offen bleiben. Dazu zählt der Umstand, weshalb die Seuche gerade in Wuhan und nicht in irgendeiner anderen der vielen uns unbekannten Millionenstädte Chinas ausgebrochen ist. Eine Erklärung wäre das Biolabor für Forschungen an Krankheitserregern der höchsten Stufe, das 2017 für kolportierte 44 Millionen US-Dollar fertiggestellt wurde. Wenn es mutwillig in die Welt gesetzt wurde, wäre menschliches Handeln die Erklärung für den Zeitpunkt der Pandemie. Aber selbst wenn der Ausbruch auf ein menschliches Versagen zurückzuführen wäre, bliebe die Frage wieso die Welt gerade im Jahr 2020 von COVID-19 als Geisel genommen wird.

Gott und Mutter Natur

In den USA und Brasilien sehen Evangelikale in der Pandemie eine Strafe Gottes, Russisch-orthodoxe Würdenträger lassen ähnliche Töne anklingen und Frankreich gilt es ausgerechnet ein Gottesdienst von Evangelikalen als Auslöser dafür, dass die Region Grand Est zu Frankreichs Corona-Hotspot wurde. Unserem, in der Mehrheitsgesellschaft vorherrschenden aufgeklärten Verständnis, liegt die Erklärung des Fußball-Bundestrainers und Hobby-Philosophen Joachim Löw schon näher: „Die Welt hat ein kollektives Burnout erlebt. Ich habe das Gefühl, dass sich die Erde gegen die Menschen stemmt. Das Tempo, das wir Menschen vorgegeben haben in den letzten Jahren, war nicht mehr zu toppen. Machtgier stand im Vordergrund, Katastrophen haben uns nur am Rande berührt. Jetzt erleben wir was, was jeden einzelnen Menschen betrifft.“

Jeder ist sich selbst der Nächste

Man kann diese Worte sicherlich ins Lachhafte ziehen, aber es ist lohnenswerter einmal darüber nachzudenken. Immerhin beherrschten in den Monaten zuvor Proteste für eine rigorosere Klimaschutz-Politik die Medien. Auch hier war die Rede von einem Übermaß an Ausbeutung von Ressourcen und einem überbordenden Ausstoß von Kohlenstoffdioxid, der im Wesentlichen von einem Drang nach immer mehr Profiten getragen wurde. Voranschreitende Wüstenbildung und Wasserknappheit sind schon länger ein Problem, aber nicht in den wohlhabenden industrialisierten Ländern. Ebenso verhielt es sich mit den Waldbränden, die in Afrika zum Teil seit Jahren wüten. Die Brände in Australien beherrschten hingegen über Wochen die Schlagzeilen. Im brasilianischen Regenwald wurden Brände teilweise aus kommerziellen Interessen sogar vorsätzlich gelegt  und von der Regierung geduldet. Nach Vorwürfen aus Europa entgegnete deren demokratisch gewählter Diktator Jair Bolsonaro jedoch nicht ganz zu Unrecht, dass man in Brasilien nur das täte was Europa schon vor langer Zeit getan hat und man dort eine massive Aufforstung betreiben könne.

Globalisierung als Ursache

Um den Bogen zur Pandemie zu schlagen: Die Berichte Bolsonaro sei selbst an COVID-19 erkrankt erwiesen sich zwar als falsch, aber dessen Zustimmungsrate schwindet ebenso schnell wie die Zahl der Infizierten steigt, da dieser das Virus zunächst leugnete und etwaige Gegen-Maßnahmen zunächst unterlassen und fatale Folgen hervorgerufen hat. Für den voranschreitenden Klimawandel und der raschen Verbreitung gibt es einen gemeinsamen Nenner: die Globalisierung. Dieser führt zu einem weltweiten Austausch von Waren, Kapital und Menschen. Getrieben wird die Globalisierung nicht von dem Wunsch Menschen aus dem Elend zu befreien, sondern von der Sucht nach immer mehr Profit.  Gegenwärtig wird Globalisierung durch sich selbst ausgebremst, die weltweite Vernetzung hilft auch Viren sich weltweit auszubreiten. Dieser kalte Entzug ist jetzt eine akute Folge des weltweiten Austauschs von Wirtschaftsleistungen. Der Klimawandel und dessen Folgen werden zu einem chronischen Problem werden.

Lehren aus der Krise

Jetzt ist die Zeit um einmal inne zu halten und darüber nachzudenken, was wirklich wichtig ist und wie die Wirtschaft künftig gestaltet werden sollte. Hier kann man die Furcht vor biblischen Plagen als Strafe Gottes als Anlass nehmen sein Verhalten zu ändern, man kann aber dies aber auch aus dem gesunden Menschenverstand heraus tun. Entscheidend ist, dass bei der Menschheit und den globalen Eliten ein Umdenken stattfindet. Es sollte darum gehen die Menschen mit notwendigen Gütern zu versorgen und nicht ihnen weiß zu machen, was sie angeblich alles brauchen um glücklich zu sein. Und zum vermeintlichen Gegensatz von Religion und Wissenschaft: Es wird immer Dinge geben, für die es schlichtweg keine logische Erklärung gibt.

 

 

Es wächst wie ein Ulcus…

Reform der Finanzmärkte – Notwendige Utopie oder unvermeidliches Ereignis

Wachstum, Wachstum, Wachstum. Immer wieder ist von den Forderungen „der Märkte“ zu hören, dass die europäische Wirtschaft „wettbewerbsfähiger“ werden müsse. Aber wem nützte eine marktgerechte Reform? Öffentlich wird dabei immer die europäische Jugend als Profiteur angeführt, welcher zu Beschäftigung, Hoffnung und Wohlstand verholfen werden soll. Es ist jedoch zweifelhaft, ob dies tatsächlich den Tatsachen entspricht. Einerseits wird Wachstum als Bedingung für Beschäftigung angeführt. Dies ist nicht zwangsläufig so, denn es gibt auch Volkswirtschaften in denen die Beschäftigung trotz eines Negativwachstums der Wirtschaft zunahm. Andererseits ist fraglich, wer aus einer möglichen Reform Profit schlägt.

Es sei gesagt: Die Bank gewinnt immer! Während die Realwirtschaft seit Jahrzehnten auf Kosten von Mensch und Umwelt um Wachstum ringt explodieren die Renditen auf den Kapitalmärkten. Diese Entwicklung auf den Kapitalmärkten begann mit dem Ende der Goldbindung und setzte sich mit den Deregulierungsexzessen von Thatcher, Reagan oder auch Schröder fort. Daraus entwickelten sich Renditen, welche auch den Renditedruck auf die Realwirtschaft erhöhte. Die Entwicklungen schlugen mithilfe des Shareholder-Value-Ansatzes direkt auf die Unternehmen der Realwirtschaft durch. Der Shareholder-Value-Ansatz sorgt dafür, dass die Unternehmen im Besitz von Investoren sind, welche vor der Wahl stehen ihre Werte in einem Unternehmen oder auf dem Finanzmarkt anlegen. Diese legen folglich ihr Geld nur dann in Unternehmen an, wenn das Geld dort mittels Dividenden, Bezugsrechtserlösen und Kurssteigerungen verzinst wird.

Aber spätestens die Finanzkrise ab dem Jahr 2007 zeigte, dass die erwirtschafteten Gewinne auf den Finanzmärkten „finanziellen Massenvernichtungswaffen“ zu verdanken sind. Die neoliberale Wirtschaftspolitik der zurückliegenden Jahre hat es den Banken ermöglicht die Märkte mit Finanzinnovationen zu fluten. Die Kunst der „kreativen Zerstörung“, welche die rücksichtslose Zielverfolgung und die Ersetzung des Guten durch etwas Besseres beinhaltet, ist stilprägend für die Finanzindustrie. Einer Studie zufolge verhalten sich viele Broker egoistischer und rücksichtsloser als diagnostizierte Psychopathen. Angesichts derlei Erkenntnisse ist fraglich, ob die Märkte die Rationalität und Effizienz aufweisen, die ihnen stets beigemessen wird.

Die Auseinanderentwicklung von Löhnen und Vermögen zeigt eine Konzentration des Kapitals in die Hände der Unternehmenseigner. Eine wenig verwunderliche Entwicklung, wenn man bedenkt, dass die Unternehmen seit Jahren auf Renditemaximierung getrimmt werden. Die Schröpfung von Arbeitsrechts- und Umweltstandards ist maßgeblich für die Renditemaximierung. Im Zuge der zurückliegenden Euro-, Wirtschafts- und Finanzkrise wurde wiederholt über eine Reregulierung der Finanzmärkte debattiert. Die Banken wehrten sich jedoch gegen jedwede Einmischung durch jene, welche sie zuvor retteten und sich selbst in die Verschuldung stürzten. Im Gegenteil: Die Banken zwangen die verschuldeten Staaten zu massiven Einschnitten in den Staatshaushalten, welche soziale Schieflagen befeuerten. Sicherlich ist die prekäre Lage im Süden Europas auch Fehlkonstruktionen der Volkswirtschaften Südeuropas geschuldet.

Dennoch tritt in dieser Krise etwas zu Tage, welches ein massives Umdenken hinsichtlich der Finanzmarktpolitik führen sollte. Wenn es Banken gibt die „Too- Big to fail“ sind und die Märkte dem Bundestag den Zeitplan und mitunter Gesetztestexte diktieren ist eine Gefährdung des Gemeinwohls in Sichtweite. Auch die vermeintliche Notwendigkeit eines Strafzins um die Märkte zu zwingen Geld in die Realwirtschaft zu pumpen zeigt die Absurdität der gegenwärtigen Situation auf. Noch absurder wird das Gebaren der Finanzmärkte, wenn man bedenkt, dass der Wert der US-Finanzderivate den Wert der Weltwirtschafsleistung um das vierfache übersteigt. Inzwischen mahnen selbst erklärte Freunde des freien Marktes wie David Rockefeller oder Robert Zoellick eine Regulierung der Finanzmärkte und eine Rückkehr zur Goldbindung an.

Aber wie könnte den Exzessen an den Finanzmärkten Einhalt geboten und dem Primat der Politik zur Renaissance verholfen werden? Einen vorsichtigen Ansatz dazu gibt in der EU. Diese plant die Einführung einer Finanztransaktionssteuer vor, wie sie John Maynard Keynes schon 1936 vorschlug. Die Besteuerung der Finanztransaktionen soll zur Refinanzierung der Bankenrettung und der Partizipation der öffentlichen Hand an den Gewinnen der Finanzmärkte beitragen. Die von James Tobin entwickelte Tobin-Tax würde dem Nobelpreisträger Paul Krugman zufolge zu einer Entschleunigung des Finanzmarktes führen und volkswirtschaftliche Risiken so minimieren. Bereits bei einem EU-weiten Steuersatz von 0,01 % entstünde ein Steueraufkommen von rund 125 Milliarden Euro. Dadurch könnte auch u. a. die Abhängigkeit der Staaten von privaten Krediten verringert werden. Auch der Ökonom Max Otte sieht angesichts einer Besteuerung mehr Vor- als Nachteile und verneint negative Folgen für die Realwirtschaft.

Eine weitere Maßnahme zur Eindämmung der Finanzmärkte und dessen Konzerne wäre die Implementierung eines Trennbanksystems wie es bereits von 1933 bis 1999 in den Vereinigten Staaten praktiziert wurde. So könnten die Einlagen aus der Realwirtschaft von risikoträchtigen Geschäften separiert werden. Des Weiteren könnte so die Systemrelevanz der Finanzkonzerne beschränkt werden. Problematisch ist jedoch bei diesen Maßnahmen, dass dem Dogma des Wachstums keine Einhalt geboten wird. Der Umstand der Übernahme der Unternehmen durch Investoren, welche kurzfristige Profitmaximierung der nachhaltigen Unternehmenssicherung vorziehen ist damit auch nicht begegnet worden.

Anders ausgedrückt ist der Finanzmarkt-Kapitalismus so nicht unterbunden. Auch die Tatsache, dass die Finanzmärkte sich von einer Krise zur nächsten Blase hangeln und auch hier Hochfrequenz herrscht wird nicht entgegnet. Gegenwärtig versuchen die Märkte mit einer Deregulierungsnovelle außerhalb der Finanzwelt, genannt Freihandelsabkommen, zu einem neuem Wachstumsschub zu sorgen. Dieser Wachstumsschub würde sich erneut in gestiegenen Vermögen der Unternehmenseigner äußern. Auf der Strecke blieben dabei erneut der Arbeitnehmer-, Verbraucher- und Umweltschutz. Dieses System der Ausbeutung wird sein Ende erst dann haben, wenn die Ressourcen der Erde endgültig geschröpft sind. Bis dahin wird es wohl noch einige Kriege um Ressourcen und Dekolonialisierungen von afrikanischen Ländern geben. Der allseits bekannte Wissenschaftler Stephen Hawking kommt zu dem Ergebnis, dass die Forschung nicht auf Umweltschutz konzentriert werden sollte, sondern auf die Suche nach einer neuen Erde. Aber wie heißt es so schön: The Show must go on! Kauft und seid lieb!

There is no Alternative?!?

Juhu! Bald sind wieder Wahlen. Diesmal darf das Volk darüber abstimmen wer ins EU-Parlament einziehen darf. Aber geht die Wahl auch damit einher, dass die europäischen Bürger auch mitentscheiden können? Es gibt Anlass dieses anzuzweifeln. Immerhin ist das EU-Parlament die einzige direkt gewählte supranationale Institution der Welt. Allerdings muss diese supranationale Institution ohne dem Recht auskommen Gesetzesvorschläge zu initiieren. Krumme Gurkenverordnungen sind somit nicht dem Parlament anzulasten. Meist kommen derartige Ideen von EU-Kommissaren. Von diesen gibt es 27, einen aus dem Mitgliedsland. Damit diese auch eine Daseinsberechtigung haben suchen sie sich Aufgaben und erfinden gurkige Regelungen. Dort ist halt immer Sauregurkenzeit. Deutlich gewichtiger sind die Entscheidungen des Europäischen Rates. Dies sind die Gipfeltreffen von denen Angela Merkel stets als Eiserne Lady hervorgeht. Im Zuge der Euro-Krise wurde wiederholt mit Notwendigkeiten der Märkte argumentiert. Aber woher kennen sie die Notwendigkeiten von denen mit der unsichtbaren Hand? Einige kennen sie vielleicht aus ihrer vorherigen Tätigkeit bei Goldman Sachs. Aber die meisten der Entscheidungsträger haben in der Regel selten die Tiefen der Volkswirtschafslehre kennenlernen dürfen. Sicherlich haben sie einen Beraterstab der ihnen die nötige Expertise an die Hand gibt. Aber wie unabhängig sind diese Berater? Seit 2004 gibt es das Personalaustauschprogramm „Seitenwechsel“. Dabei entsenden Unternehmen, Verbände und Interessengruppen ihre Mitarbeiter in Ministerien des Bundes. Die Bezahlung übernehmen die ursprünglichen Arbeitgeber. Eine blendende Idee die für Expertise und Kostenersparnis zugleich sorgt. Welch verschwörerischer Gedanke, dass diese Mitarbeiter im Sinne ihres Brötchengebers und nicht in dem der Allgemeinheit agieren. Eine ebenso anrüchige Entwicklung gibt es bei der Formulierung von Gesetzestexten. Im Jahr 2009 kam es zu einer Premiere in der deutschen Rechtsgeschichte. Erstmals wurde ein Gesetz gänzlich von einer Kanzlei verfasst. Dabei verfasste die Kanzlei „Linklaters“ einen Gesetzesentwurf der zur Enteignung der Hypo Real Estate führen sollte. Ob die Kanzlei Gesetze verfasst die zum Nachteil ihrer sonstigen Kundschaft sind ist zweifelhaft. Deutlich kritischer ist die Rolle der Think Tanks, welche aktiv versuchen die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Als Beispiel lässt sich dabei die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ anführen. Ein Name der zwar das Wort „sozial“ in sich trägt aber neoliberale Gedanken verbreitet. Die Organisationen Transparency International, Lobbycontrol und das Netzwerk Recherche werfen der INSM vor, dass sie die Grenzen zwischen Journalismus und PR verschwimmen ließe. Einerseits wird freundlich und kostengünstig Infomaterial gestellt. Andererseits werden bundesweite Kampagnen initiiert. Selbst Voodoo-Puppen und Unterrichtsmaterialien wurden bereits von der INSM verschickt. Eine Person taucht im Zusammenhang mit einflussreichen Organisationen immer wieder auf: Friedrich Merz. Dieser hatte 2009 seinen Rückzug aus dem Parlament vollzogen. Mit dem Nachlassen politischer Umtriebigkeit geht dieser Schritt nicht einher. Noch immer ist dieser Mitglied bei INSM, der Atlantik-Brücke und der Trilateralen Kommission. Letztgenannte Netzwerke sind im Hinblick auf die deutsche Außenpolitik interessant. Die Atlantik-Brücke dessen Vorsitzender Merz ist befasst sich in erster Linie mit der proamerikanischen Ausrichtung Deutschlands. Auf Betreiben eines Rockefeller-Erben gründete sich auf einer Bilderberger Konferenz die Trilaterale Kommission, welche ein Netzwerk der westlichen Gesellschaften bildet. Die Bildung Think Tanks, Netzwerken oder auch Diskussionsforen ist nicht zwangsläufig etwas Negatives. Kritisch ist aber das Verschwimmen zwischen Wirtschaft und Politik, zwischen Diskussion und Entscheidung. Als eines der wichtigsten Foren weltweit gilt die schon zuvor genannte Bilderberg-Konferenz. Die Liste der Teilnehmer gleicht der Aristokratie der westlichen Welt. Angesichts dessen und der Tragweite der dortigen Diskussionen wären Protokolle oder Abschlusserklärungen wünschenswert. Transparenz scheint dort aber ein unbekanntes Gut zu sein. Eine Teilnahme an der Konferenz ist nur gefügigen und schweigsamen Journalisten gestattet, sodass das Besprochene den Gesprächskreis nicht verlässt. Offenbar scheint die Global Governance parallel zur Globalisierung voranzuschreiten. Aber wer derlei Konferenzen, Kommissionen, Foren, Initiativen, Netzwerke und Gesprächskreise undemokratisch findet dürfte vom TAFTA besonders angewidert sein. Dabei handelt es sich um das zur Verhandlung stehende Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Ein Abkommen zur verstärkten Integration der transatlantischen Wirtschaftsräume. Offen und auf gemeinsamen Regeln sollen sie agieren. Doch tatsächlich wird im Verborgenen verhandelt. Nicht einmal die Parlamentarier der EU und deren Nationalstaaten und auch das deutsche Wirtschafsministerium haben keinen Einblick in die Verhandlungsergebnisse. Auch NGOs und andere zivilgesellschaftliche Verbände haben keinen Zugang zu Dokumenten des Abkommens. Im Gegensatz dazu haben Unternehmen und Lobbyorganisationen diesen sehr wohl oder verhandeln teilweise direkt mit. Wer sich von den Massenmedien kritische Berichterstattung erwartet sollte wissen, dass deren Inhaber selbst zu den Nutznießern, Teilnehmern und Initiatoren neoliberaler Denkfabriken gehören. Ansonsten bleibt gibt es noch vieles zu berichten und vieles anzureißen. Das Gefühl der Machtlosigkeit der Parlamente ist keine Illusion. Ruhe ist diesem Fall wohl nicht die erste Bürgerpflicht. Ansonsten euch allen einen guten Appetit im Suppenküchenkapitalismus in dem Reiche so viel Gutes tun außer Steuern zu zahlen.